Vor einer Woche, am 9. März, hat in den Kirchen katholischer Prägung – dazu gehören die römisch-katholische, anglikanische, alt-katholische, orthodoxe und einige orientalische Kirchen – die vorösterliche Buß- und Fastenzeit begonnen. Für viele, die das Fasten ernst nehmen, ist damit oft auch ein 40-tägiger Verzicht auf Wein verbunden. Und das fällt dem Weinliebhaber natürlich nicht leicht. Worum geht es bei dieser Fasterei eigentlich?
Fasten – Vorbereitung auf Taufe und Tauferneuerung
Im frühen Christentum war es üblich, dass Bekehrungswillige zum Osterfest ihre Taufe empfingen. Getauft wurden Erwachsene, eine Kindstaufe kannte man in der ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt noch nicht. Die 40 Tage vor Ostern standen im Zeichen der intensiven Vorbereitung auf dieses Ereignis und sollten insbesondere von Gebeten und Buße geprägt sein. Es galt, sein Leben neu zu justieren und auf den christlichen Glauben hin auszurichten. Diese Vorbereitungszeit wurde im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einem Anliegen aller Gemeindemitglieder.
Der Brauch einer vorösterlichen Fastenzeit als allgemeine Bußzeit lässt sich schließlich bis ins 4. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Dauer der Fasten-Periode geht dabei insbesondere auf das im Matthäusevangelium beschriebene 40-tägige Fasten Jesu in der Wüste zurück. Aber auch an anderen Bibelstellen hat die Zahl 40 für Phasen der Prüfung, Buße und des Verzichts eine besondere Bedeutung. So mussten die Israeliten etwa 40 Jahre durch die Wüste ziehen, bis sie das gelobte Land erreichten.
Vierzig Tage ohne
Die vorösterliche Buß- und Fastenzeit beginnt seit der Synode von Bevent im Jahr 1091 am Aschermittwoch und endet am Ostersamstag mit der Liturgie der Osternacht. Nach römisch-katholischer Kirchenordnung gilt eine strenge Pflicht zum Fasten zumindest am Aschermittwoch und am Karfreitag: Sie sieht insbesondere einen Verzicht auf Fleisch und Alkohol sowie die Beschränkung auf eine größere und eine kleine Tagesmahlzeit vor. Für die anderen Tage der Buß- und Fastenzeit wird ein freiwilliges Fasten, also ein Fleisch und Alkoholverzicht, häufigere Besuche der Messfeiern, der Empfang des Bußsakraments durch die Beichte, eine großzügigere Spendenbereitschaft, ein Verzicht auf große Partys und sonstige Vergnügungen, eine stärker ausgeprägte selbstlose Haltung und die zeitweilige Abkehr von schlechten Gewohnheiten – wie etwa dem übermäßigen TV-Konsum – empfohlen. Die Sonntage sind von den Fastenzeiten übrigens ausdrücklich ausgenommen, was das Ganze nicht nur den Weintrinkern unter den Katholiken etwas erleichtern dürfte.
Fasten – Powernapping für Körper und Psyche
Der Sinn aller Fastenpraxis ist es, sich selbst und seine Fehler zu reflektieren, gegebenenfalls Mut zu schöpfen für Veränderung, der spirituellen Komponente des Lebens wieder ein größeres Gewicht zu verleihen sowie sich auf das wichtigste Fest der Christen, auf Ostern, und damit auf die Erneuerung des Taufversprechens in der Osterfeier vorzubereiten.
Die Fastenzeit in der evangelischen Kirche
In den protestantischen Kirchen bezeichnet man die knapp sieben Wochen von Aschermittwoch bis Ostern als Passionszeit. Auch Luther hatte nicht prinzipiell etwas gegen das Fasten, er lehnte allerdings die formalistische Festlegung auf bestimmte Zeiten und Speisen ab. Luther begriff das Fasten eher als ein individuelles Trainingsprogramm zur Selbstdisziplinierung: „Wenn nun jemand fände, dass auf Fische hin sich mehr Mutwillen regte in seinem Fleisch als auf Eier und Fleisch hin, so soll er Fleisch und nicht Eier essen.“ Die beiden anderen großen Reformatoren, Zwingli und Calvin, hielten wenig vom Fasten. Durch einen provokativen Verstoß gegen die damaligen Fastenvorschriften markierten sie ihren Bruch mit der römisch-katholischen Kirche. Am 9. März 1522, dem Inokavit, also dem ersten Sonntag der Fastenzeit, veranstalteten sie in Zürich ein demonstratives Wurstessen, das als Züricher Wurstessen in die Geschichte der Reformation eingegangen ist.
Verzicht als persönlicher Gewinn
Lange Zeit galt das Fasten für viele Katholiken als lästige Pflicht. Das hat sich in den zurückliegenden Jahren jedoch verändert. Heutzutage fastet man wohl mehrheitlich entweder aus Überzeugung oder man lässt es sein. Und inzwischen haben auch viele Protestanten und evangelische Kirchengemeinden die positive Wirkung des zeitweiligen Verzichts für sich neu entdeckt. Heutzutage ist mithin doch nicht mehr alles Käse mit der Askese. In unserer von Konkurrenzdruck, Zukunftsängsten und Stress geprägten Zeit suchen viele Menschen nach einem Sinn außerhalb der vermeintlich ökonomischen Sachzwänge und des Konsums und entdecken dabei auch das Fasten neu. „Einer Forsa-Umfrage von 2011 zufolge haben 40 Prozent der Bundesbürger schon einmal im Leben gefastet oder bewusst über längere Zeit auf Genussmittel verzichtet“, schreibt Focus-online. Wie der Verzicht während der Fastenzeit aussieht, entschieden viele Fastenwillige dabei ganz individuell: Es kann beispielsweise die Enthaltsamkeit in Sachen Fernsehgucken sein, eine Entsagung von Süßigkeiten oder das häufigere Abschalten des Computers. In Kirchengemeinden, ob katholische oder evangelische, treffen sich vielerorts Fastengruppen, in denen man sich über seine Erfahrungen austauscht und sich gegenseitig beim Durchhalten unterstützt. Hier bekommt das Fasten nicht zuletzt auch eine neue Qualität der christlich intendierten Selbsterfahrung.
Was den Wein angeht, ist eines dabei gewiss: Wer als Weintrinker schon einmal jene sieben Wochen auf den geschätzten Rebensaft verzichtet hat, weiß: Danach schmecken die ersten Gläser Wein zehnmal so gut wie ohne das Fasten!
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