„Mit ins Boot gesprungen“

Ein Bewohner aus einer ehemaligen Flüchtlingsnotunterkunft in Hannover erzählt über die Beweggründe und Umstände seiner Emigration

Tarek stammt aus Syrien. Er ist in einer kurdisch geprägten Region aufgewachsen, dort, wo Anfang des Jahres 2018 die türkische Armee einmarschierte. Tarek floh im Jahr 2011 vor dem Krieg in Türkei. Fünf Jahre hat er dort gelebt und Computertechnologie studiert. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit Jobs als Übersetzer für Türkisch und Arabisch. „Die Lebensumstände in der Türkei waren nicht besonders gut“, sagt Tarek. Und in den Jahren 2015 und 2016 seien alle auf der Durchreise nach Deutschland gewesen. „In Deutschland ist das Leben einfacher, dort gibt es Hilfen“, habe man ihm gesagt: „Da bin ich mit ins Boot gesprungen“. Ursprünglich wollte er sich nach seinem Studium in der Türkei eine Arbeit suchen.

Aktion für Flüchtlinge

Ständig Streit

In Deutschland angekommen, noch auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise Anfang des Jahres 2016, wurde er erstmal in der Flüchtlingsunterkunft ehemaliges Oststadtkrankenhaus (OSK) untergebracht. Er bekam zusammen mit zwei anderen Flüchtlingen ein Zimmer auf der ersten Etage des Männertraktes zugewiesen. An die Zeit im OSK hat Tarek keine guten Erinnerungen. „Ständig gab es Streit, viele haben Alkohol und Drogen konsumiert, es war immer sehr laut.“ Das sei nicht leicht für ihn gewesen, berichtet er. Vom Drogenkonsum einiger Bewohner*innen war Tarek geschockt: „Ich habe noch nie so etwas Schlimmes gesehen“. Geändert habe sich nicht viel, obwohl er und andere sich häufig über die Situation beschwert hätten. „Die Polizei hat die Leute zwei Tage mitgenommen, dann sind sie wieder da gewesen.“

„Es gibt einfach mehr Chancen in Deutschland“

Derartige Probleme habe er bereits in der Türkei kennengelernt, sagt Tarek, aber hier sei alles noch viel ausgeprägter gewesen. Er frage sich, warum Deutschland diese Kriminellen hierbleiben lasse? „Einige haben Markenkleidung geklaut und dann auch in der Unterkunft weiter verkauft“, erzählt er. Die Kriminalität ist seiner Wahrnehmung nach sehr hoch gewesen. „Ich würde alle Leute, die Probleme machen, nach Hause schicken“, bekundet er. Ansonsten sei das Leben in Deutschland schon besser als in der Türkei. „Es ist einfacher, wenn man arbeiten oder studieren möchte. Es gibt einfach mehr Chancen in Deutschland.“ Wenn nur nicht immer das Wetter so schlecht wäre. Von Deutschland habe er anfangs keine Vorstellungen gehabt. „Aber ich habe mich gewundert, dass so viele Syrer da waren. Ich habe mich fast wie in Syrien gefühlt.“
Tarek ist inzwischen als Flüchtling anerkannt worden und hat jetzt eine Aufenthaltserlaubnis. Noch im Jahr 2016 hat er geheiratet. Seine Frau lernte er schon in Syrien kennen. Er hat dort mit ihr an der Universität in Latakia studiert. Die beiden haben einen Sohn, der im Sommer 2016 geboren wurde.
Wie wird es weitergehen? Noch sei alles offen, sagt Tarek. Klar, gern würde er wieder mit allen Familienangehörigen zusammen in Syrien leben, wenn es die Umstände zulassen. „Aber wir haben uns auch an das Leben hier gewöhnt“. Daher könne er sich auch eine Zukunft in Deutschland vorstellen. Falls es in der IT-Branche nicht klappt, möchte Tarek als Dolmetscher für Arabisch, Türkisch und Kurdisch arbeiten. Mit dem Leben in Deutschland ist er sehr zufrieden. Mal abgesehen von den Fehlern, die oft beim Jobcenter passieren und die er dann ausbaden muss, weil zu wenig Geld ausgezahlt wird. Aber hier hilft im Zweifelsfall Funda Dastan vom Integrationsmanagement, die Tarek auch dabei geholfen hat, eine Wohnung zu finden.

„Die Deutschen sind sehr verschlossen.“

Tarek fühlt sich wohl in Deutschland. Aber die Deutschen seien sehr verschlossen, sagt er. Das mag ein Grund sein, warum er noch keine persönlichen Kontakte zu Einheimischen geknüpft hat. Auch in der Sprachschule habe er keine Gelegenheit gehabt, Deutsche kennenzulernen. Wenn er erst einmal richtig Deutsch gelernt und einen Job gefunden hat, wird sich das vielleicht ändern, hofft Tarek!

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