Heute schon verknüpft? Sekundengedächtnis und Hundeerziehung

Was machen Sie, wenn Ihr Hund mal wieder stiften geht, beispielsweise um einem Hasen hinterher zu jagen? Geben Sie ihm ein Leckerchen, weil er so brav wieder zurückgekommen ist? Gefühlte 80 Prozent der Hundeschulen haben ihren Kunden in den letzten Jahren genau diese Empfehlung gegeben. Denn der Hund könne sein Jagdverhalten eben nicht mehr mit einer potenziellen Bestrafung verknüpfen. Deshalb lieber belohnen, sonst kommt der Hund am Ende gar nicht wieder, so die Logik. Jetzt scheint einigen Hundetrainern zu dämmern, dass das wohl doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Hunde-Fachfrau Martina Dorn hat kürzlich bei Focus-Online zu Protokoll gegeben, wie man es stattdessen macht. Erst einmal solle man ihn nach dem unerlaubten Ausflug anleinen und ein paar Übungen wie „Sitz“ oder „Platz“ mit ihm machen. Und als Konsequenz rät sie den Hundefreunden, ihre Vierbeiner das nächste Mal eben ganz an der Leine zu lassen. Okay, angeleint kann der Hund nicht mehr jagen, klare Sache. Aber auf diese Weise hat man seinen Hund leider immer an der Backe, beziehungsweise an der Leine. Schluss mit Toben, Stöbern, Spielen. Auf die Dauer doch nicht so gut. Die Hundetrainerin empfiehlt: „Das Wegrennen können Besitzer vermeiden, indem sie ihr Tier beim Gassigehen nicht sich selbst überlassen. Denn meist entwischen Hunde zum Jagen, wenn sie sich nicht genug beschäftigt fühlen.“ Deshalb: Immer wieder Übungen einstreuen und mit Spielzeug ablenken. Soweit d’accord, machen Sie sich für den Hund interessant, übernehmen sie die Leitung und bestimmen Sie, wo es lang geht.
Aber einen modernen Mythos aus den Hundeschulen kann sich die Trainerin dann doch nicht verkneifen: „Hunde haben ein Sekundengedächtnis, wenn er beim Gassigehen abhaut und sie ihn danach ignorieren, kann er sein Verhalten nicht damit verknüpfen.“ Ehrlich: Dieses „Verknüpfen“ sollte mal jemand offiziell zum behavioristischen Hundeschulen-Unwort des Jahres küren.

Behaviorismus (abgeleitet vom amerikanisch-englischen Wort behavior, „Verhalten“) benennt das wissenschaftstheoretische Konzept, Verhalten von Menschen und Tieren mit naturwissenschaftlichen Methoden – also ohne Introspektion oder Einfühlung – zu untersuchen und zu erklären. (Wikipedia) Kern des Behaviorismus bildet das sogenannte Reiz-Reaktions-Schema.
Kritik am Behaviorismus – hier klicken!

Mein Hund kriegt morgens nach der ersten Minirunde zwecks Erledigung geschäftlicher Dinge immer so einen Denta-Kauknochen. Meistens hat er aber zu früher Stunde noch keinen Appetit. Er nimmt das Teil trotzdem und begibt sich in geheimer Mission auf die Suche nach einem guten Versteck. Stunden später, am fortgeschrittenen Vormittag oder mittags, kriegt er dann nach einer längeren Hunderunde seine erste Hauptmahlzeit. Und jetzt ist der Kerl nicht satt zu kriegen. Was macht er also: Er läuft schnurstracks zu der Ecke, in der er am frühen Morgen seinen Kauknochen versteckt hat, um ihn jetzt genüsslich zu verspeisen. So viel zum Sekundengedächtnis.
Ich frage mich sowieso, warum diese Sekundengedächtnis-Apologeten nicht selber drauf kommen, dass die enorme Lernfähigkeit des Hundes und die Annahme, sein Gedächtnis sei auf wenige Augenblicke begrenzt, sich nicht klar ausschließen. Der Hund ist doch kein Eichhörnchen, das schon kurz nach Verbunkern der Wallnuß nicht mehr weiß, wo es sie versteckt hat. Deshalb: Wenn Ihr Hund sich das nächste Mal unerwünschter Weise jagdlich betätigt, machen sie ihm hinterher möglichst gewaltfrei aber sehr deutlich ihren Standpunkt dazu klar. Und wenn er sich nach ein bis zwei Stunden einigermaßen von dem Schreck erholt hat, können Sie auch wieder etwas Schönes mit ihm spielen.
PS. Ich habe übrigens nichts gegen Hundeschulen, im Gegenteil. Sie sollten dort jedoch nicht Ihre eigene Urteilsfähigkeit abgeben.

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