Was Karl Marx mit Corona zu tun hat

Seit dem Jahr 2020 befinden wir uns in einer Krise von globalem Ausmaß. Glauben wir der WHO, maßgeblichen Protogonisten der internationalen Politi und einem Großteil der deutschen und internationalen Medien, dann liegt die Ursache dieser Krise in einer weltweiten, durch ein neuartiges Corona-Virus verursachten Pandemie. Realiter liegt die Mortalitätsrate der an diesem Virus Erkrankten laut WHO bei etwa 0,2 Prozent, gefährdet sind im Wesentlichen sehr alte und immungeschwächte Menschen. Die Gefahr ist somit überschaubar. Dennoch wird von Politik und Medien so getan, als hätten wir es mit einem der tödlichsten Killerviren seit Jahrhunderten zu tun. Ein bekannter Kritiker der allgemeinen Restriktionen zur vermeintlichen Pandemiebekämpfung sagt dazu: „Keine Angst! Das Virus ist nicht das Problem“. Sollte das stimmen, dann fragt sich: Was ist der eigentliche Grund dieser Krise? Wird das Virus zum Anlass genommen, um eine politische und ökonomische Agenda umzusetzen? Oder ist dieser Verdacht am Ende doch nur eine Verschwörungstheorie?

Schöne neue Krise

Krisen sind nichts bekanntlich nichts Neues. Nach einer, zumindest in Westeuropa und den USA, relativ krisenfreien Zeitspanne von rund 20 Jahren nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde auch der Westen seit der sogenannten Ölkrise in den 1970er Jahren immer wieder von Krisen geschüttelt, von Massenarbeitslosigkeit, Bürgerkriegen an den Rändern Europas, von Finanzkrisen und, sichtbar geworden durch die Pleite der Staatshaushalte einiger europäischer Länder, von der sogenannten Eurokrise.
Niemals in den vergangenen Jahrzehnten jedoch hat eine Krise so massiv die für unveräußerlich gehaltenen Grund- und Freiheitsrechte bedroht, wie die vermeintlich durch eine neuartiges Corona-Virus ausgelöste pandemische Krise.
Über die eigentlichen Hintergründe dieser Krise kursieren verschiedene Hypothesen, die vom politischen und medialen Mainstream als Verschwörungstheorien ab gecancelt werden. Der Publizist Ernst Wolff etwa vertritt die Auffassung, dass die Eliten in Politik und Finanzwelt die Pandemie dazu nutzen, um über Lockdown und Restriktionen die traditionelle mittelständische Wirtschaft zu zerstören und ein neues Kontroll- und Währungsregime zu errichten (Vgl. Mies 2021: S. 39). Diese Position wird heute von links bis in die Mitte als rechte Verschwörungstheorie gebrandmarkt. Wie sich die Zeiten ändern, bis Anfang 2020 galt die Kritik am internationalen Finanzsystem und am einstmals als „Finanzkapital“ bezeichneten Machtblock als eine linke Haltung.

Error And Reset

Aber ob rechts oder links: Warum sollten gerade die politischen-, wirtschaftlichen- und Finanzeliten ein Interesse daran haben, die Wirtschaft zu zerstören, die doch die Grundlage des ganzen markwirtschaftlich-kapitalistischen Systems bildet? Die Antwort lautet: Weil dieses System längst zerstört ist und am Boden liegt. Die unter dem Label der Pandemiebekämpfung daherkommende ökonomische und politische Demontage ist lediglich eine Krisenbewältigungsstrategie mit dem immanenten Ziel, auf den Trümmern des nicht mehr zu rettenden alten Systems ein neues zu errichten. Error und Reset. Dabei ist die Rede vom Great Reset, oder auf Deutsch, dem großen Umbruch, keine Erfindung von Verschwörungstheoretikern, sondern unter anderem der Titel eines Buches aus der Feder des Gründers und Leiters des Davoser Weltwirtschaftsforum, Klaus Schwab: „Covid-19: Der große Umbruch“. Schwab möchte, wie er schreibt, mit der „Pandemie die Tür zu einer besseren Zukunft öffnen“ (Schwab 2020: S. 292). Wir können davon ausgehen, dass Schwab nichts sagt oder tut, was den Interessen seines Davoser Klientels widerspricht. Mithin lässt sich folgern: Die wirtschaftlich und politisch Mächtigen dieser Welt wollen mit der Pandemie die Tür zu einer besseren Zukunft aufstoßen. Fraglich ist, ob das, was sie für gut oder besser halten, auch für alle anderen weniger privilegierten Menschen gut ist.

Machterhalt

Macherhalt ist schon immer eines der wesentlichen Anliegen der Eliten gewesen. Die Tür in eine „bessere Zukunft“ ist die Tür in eine Zukunft, in der die Eliten ihre Macht auch über das Ende des uns bekannten Systems erhalten können. Und hier gibt es in der Tat Bedarf, denn das markwirtschaftlich-kapitalistische Weltsystem hat in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt enorm geschwächelt und liegt nun am Tropf der sozialökonomischen Intensivmedizin, die ihr in Gestalt der Zentralbanken beständig „Fresh Money“ einträufelt.

Von der Deregulierung zur Krise

Aber der Reihe nach: Die Deregulierung der Finanzmärkte seit den 1980er Jahren hat den markwirtschaftlichen Kapitalismus nachhaltig verändert und zu einer gigantischen Zunahme der Währungs- und Finanzspekulationen geführt. Damit ist ein Finanzmarkt entstanden, der sich gegenüber der Realwirtschaft weitgehend verselbstständigt hat und diese an Kapitalvolumen inzwischen um ein Vielfaches übertrifft. Dieses System kann nur funktionieren, weil es von der Realwirtschaft weitgehend entkoppelt ist. Denn würde das virtuelle Kapital in die Warenmärkte zurückfluten, wäre eine enorme Geldentwertung, eine Hyperinflation, die Folge. In den Jahren 1998 und 2008 stand dieses System bereits zweimal kurz vor dem Kollaps und konnte 2008 nur durch die Intervention der Regierungen vor dem totalen Blackout bewahrt werden. Ernst Wolff formuliert: „Diesmal zwangen die Finanzinstitutionen die Regierungen, die Steuerzahler für die von ihnen verursachten Schäden zur Kasse zu bitten. Unter dem Motto: Banken seien ‚too big to fail‘, wurden damals riesige Löcher in die Staatshaushalte gerissen, die anschießend zur ‚Austeritätspolitik‘ führten und ganze Bevölkerungsgruppen in Not und Armut stürzten. Der Beinahe-Crash führte zu einer weiteren Machverschiebung im Finanzsektor. Die Vermögensverwaltungen begannen, die Hedgefonds zu überflügeln oder zu übernehmen“ ((Vgl. Mies 2021: S. 44). Hedgefonds sind Investmentfonds, die in risikobehafteten und spekulativen Anlagebereichen operieren.
Da einerseits die Realwirtschaft nicht aus ihrer strukturellen Krise herauskommt und deshalb auch die Staatseinnahmen stagnieren, und andererseits die Kapitalmärkte einen wachsenden Hunger nach frischem Geld haben, sind die Zentralbanken dazu übergegangen, enorme Mengen Geld zu schöpfen und zu immer niedrigeren Zinsen auf die Kapitalmärkte zu werfen.

Wachsender Hunger nach billigem Geld

Die Zinsen befanden sich daher in den zurückliegenden Jahren im freien Fall. Dies bewirkt vor allem ein weiteres Aufblähen der Finanz- und Spekulationsblasen „ohne die Schaffung eines realen Gegenwerts“ (Vgl. Wolff 2017: 27) aber, nicht zuletzt aufgrund der lahmenden Realwirtschaft, auch eine enorme Zunahme der Staatsverschuldung. „Ende des Jahres 2020 betrug die Staatsverschuldung in Deutschland rund 2,2 Billionen Euro“ (statista.com). Sowohl die Finanzmärkte als auch die Nationalstaaten haben mithin einen wachenden Hunger nach billigem Geld. Das allerdings birgt die große Gefahr, dass das System früher oder später kollabiert. „Die derzeit betriebene zerstörerisch Finanzpolitik – also Geldschöpfung aus dem Nichts, gepaart mit Zinssenkungen – muss zwingend fortgeführt werden, auch wenn man heute schon voraussehen kann, dass sie mit unerbittlicher Konsequenz zum Platzen riesiger Blasen an den Märkten, zum Untergang zinsabhängiger Einrichtungen wie Renten- und Pensionskassen und zur Zerstörung vorsorglicher Altersabsicherung führt“ (Wolff 2017: 28).

Wer ist schuld am Schlamassel?

Viele Beobachter und Kritiker dieses Systems neigen dazu, die deregulierten Finanzmärkte und den sogenannten Kasino-Kapitalismus für den ganzen Schlamassel verantwortlich zu machen. Kann es ein Zurück zum guten alten Kapitalismus der ersten Nachkriegsjahrzehnte überhaupt geben?
Die gesamte Logik des marktwirtschaftlichen Kapitalismus fußt darauf, jedes menschliche Bedürfnis, jede menschliche Lebensäußerung und jeden Lebensbereich in abstrakten Wert, also in Kapital zu verwandeln und dabei gleichzeitig die menschliche Arbeitskraft in immer größeren Ausmaßen durch Automaten zu ersetzen oder in prekäre Bereiche zu verdrängen. Darin ist die kapitalistische Marktwirtschaft seit dem Siegeszug der Informationstechnologie, von manchen auch Dritte Industrielle Revolution genannt, ganz groß geworden. Das heißt, Arbeit wird im Verhältnis zu anderen Produktionsfaktoren billiger. Es gab da mal einen Sozialökonomen im neunzehnten Jahrhundert, der behauptete, durch diese Verschiebung sinke quasi gesetzmäßig – mit der Gesetzmäßigkeit hatte man es seinerzeit noch ganz groß – die Rendite im Verhältnis zum eingesetzten Gesamtkapital. Karl Marx hieß der Mann: „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“ hat er das von ihm entdeckte Phänomen genannt.

Marx als Ökonomen wiederentdecken

Glücklicherweise muss heute kein Marxist mehr sein, wer auf die politisch-ökonomischen Befunde von Karl Marx, insbesondere auf die Ergebnisse seines Hauptwerkes, „Das Kapital“, zurückgreifen will. Marx hat, ausgehend von der Klassischen Nationalökonomie, die verbunden ist mit Namen wie David Ricardo und Adam Smith, eine umfassende Theorie des modernen warenproduzierenden Systems, respektive des marktwirtschaftlichen Kapitalismus entwickelt, die bis heute nichts von ihrer analytischen Tiefe und gesellschaftlichen Gültigkeit verloren. „Marx als politischer Revolutionär ist out“, ist etwa in einem Beitrag der Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“ zu lesen: „Aber das heißt nicht, dass er auch als Klassiker der Theoriebildung erledigt wäre. Ganz im Gegenteil!“(wirtschaftsdienst.eu) Marx` politische Ökonomie kann uns helfen, die heutige Situation besser zu verstehen. Wenn Marx uns nur die Funktionsweise der Ökonomie in bürgerlichen Gesellschaften erklärt hätte, anstatt eine totalitäre, vermeintlich Gott und die ganze Welt umfassende Geschichtsphilosophie zu kreieren, wäre der Menschheit wahrscheinlich einiges Unglück erspart geblieben.
Empirisch ist, so wie Marx es beschrieben hatte, ein Abfall der Rendite im Verhältnis zum eingesetzten Kapital feststellbar, der nach der anfänglichen Prosperitätsphase im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg eingesetzt hat. Es ist allerdings kein linear verlaufender Abwärtstrend, er ist vielmehr Schwankungen unterworfen. Insbesondere in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zog die Rentabilität zeitweise wieder an. Verschiedene Ökonomen machen dafür die Senkung der Reallöhne und andere Deregulierungsmaßnahmen verantwortlich. Diese Befunde zeigen, dass schon die neoliberalen Maßnahmen, wie das Outsourcing menschlicher Arbeitskraft in Billiglohnfirmen oder in prekäre Selbstständigkeit, Reallohnkürzungen, Druck auf die nationale Fiskalpolitik, Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen und vieles mehr, einen systemrettenden Hintergrund hatten. „Die Gier der Manager“ ist eine gern gebrauchte Floskel, wenn es um Erklärungsversuche von Banken-, Euro- und sonstigen Krisen geht. Selbst der Kapitalismuskritik unverdächtige Zeitungen wie Springers Welt bedienen sich mittlerweile dieser Kategorien. Aber Finanz-Zockerei, persönliche Bereicherung der Unternehmenseliten und dergleichen, das alles ist nicht Ursache sondern selbst nur Symptom der Krise. Die beschriebenen Phänomene sind wesentlich den schwieriger werdenden Bedingungen geschuldet, das vorhandene Kapital gewinnbringend einzusetzen. Davon sprechen die Verdrängungswettbewerbe und Übernahmeschlachten an den Börsen Bände. In absoluten Größenordnungen wird so viel produziert und verdient wie noch nie.

Kapitalmärkte, die Schwämme des modernen Kapitalismus

Noch nie pulste so viel Geld als Kapital durch die internationalen Waren und Finanzmärkte wie heute. Aber gerade dies ist Teil des Problems. Noch nie pulste so viel Geld als Kapital durch die internationalen Waren und Finanzmärkte wie heute. Aber gerade dies ist Teil des Problems. Denn wenn das Kapital aufgrund gesättigter Märkte keine Anlagemöglichkeiten mehr findet und die Rendite im Be
reich der Warenproduktion in Relation zum eingesetzten Kapital immer geringer wird, gerät es in die Krise und zieht die Gesellschaft mit hinein. Die Finanzmärkte sind nicht zuletzt die Schwämme für jenes Kapital, das in der Realwirtschaft nur noch mühsam realisiert werden kann, sprich, sich nur mühsam in Rendite verwandeln lässt. Eine der wesentlichsten Eigenschaften des Kapitals, also des auf fortwährende Reproduktion, sprich Selbstvermehrung angelegten Geldzweckes, ist es, alles, was unter seinen Einfluss gerät, in etwas Abstraktes, von den ursprünglichen physischen Eigenschaften Losgelöstes, nämlich in Wert zu verwandeln, und davon immer mehr zu brauchen. Geht dem Kapital der Wert aus, geht es mit ihm zu Ende. Die Zügellosigkeit war und ist die ökonomische Maschinerie, die das Ganze am Laufen hält.

Abstraktion vom Abstrakten

Der Kasinokapitalismus ist also Ausdruck eines Strukturproblems des marktwirtschaftlichen Kapitalismus. Er hat damit begonnen, etwas Stoffliches in abstrakten Wert zu verwandeln. Damit ist er an eine relative Grenze gestoßen. Inzwischen schöpft er die Abstraktion aus dem Abstrakten selbst. Das kann nicht gutgehen, denn damit gerät er in einen immanenten Widerspruch, und zwar nicht in einen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, wie die Kommunisten meinten, sondern in den Widerspruch seiner eigenen immanenten ökonomischen Logik. Es ist deshalb auch höchstgefährlich, dass angeblich „parasitäre“ Finanzkapital anzuprangern, aber seine Entstehung aus den Strukturproblemen des Kapitalismus selbst, also die Krise des Kapitals, unerwähnt zu lassen. Denn das führt letztlich dazu, dass man das Kapital in ein gutes und ein schlechtes spaltet und beide gleichsam bestimmten Subjekten zuordnet, wie es etwa die Nationalsozialisten machten, die das vermeintlich oder wirklich Parasitäre des Finanzkapitalismus in das Judentum projizierten. Die verschiedenen Erscheinungsformen des marktwirtschaftlichen Kapitalismus voneinander zu isolieren und spezifischen Subjekten zuzuordnen ist daher pure Ideologie und birgt die Gefahr des Antisemitismus in sich. Aber das Kapital ist weder gut noch schlecht, es unterliegt bestimmten Wirkmechanismen, die auf eine Reproduktion auf einer immer höhere Stufe angelegt sind, darauf, aus immer mehr Geld weiteres Geld zu schöpfen. Selbstverwertung des Kapitals, wie Marx das genannt hat.

Marx, eine tragische Figur

Den Analytiker Karl Marx, der diese immanente Logik und ihre Widersprüche in Grundzügen beschrieben hat, muss man im Nachhinein dabei wohl als eine tragische Figur betrachten. Denn ausgerechnet die Rezepte, die er als Philosoph und politischer Aktivist zur Lösung des Problems auf den Weg gebracht hat, dienen jetzt als Mittel zur Rettung eines Systems, das er bekämpfen wollte. Marx meinte, diejenigen, die mittels des Verkaufes ihrer Arbeitskraft und deren Einsatz im Produktionsprozess erst den Wert schaffen, der dann in abstraktes Kapital verwandelt wird, müssten ein Regime installieren, worin sie selbst sich die Ergebnisse ihrer Arbeit und die politische Macht aneignen. Marx selbst hat mit seiner angeblich wissenschaftlich fundierten Geschichtsphilosophie den Grundstein gelegt für einen Totalitarismus, der spätestens unter seinem sowjetischen Epigonen Lenin und dessen Nachfolgern zu den offen terroristischen Regimes des Kommunismus wurden. Eines davon ist das chinesische, dessen entfesselter Terror unter Mao zu Abermillionen psychisch und physisch Verstümmelten und zu Millionen Ermordeter führte, und das schließlich die Demokratiebewegung der endenden 1980er Jahre auf dem Platz des Himmlischen Friedens unter seinen Panzern niederwalzte. Damit rettete das kommunistische Regime seine Macht und leitete eine beispielslose Modernisierung unter neoabsolutistisch-kapitalistischen Vorzeichen ein. Heute ist China ein totalitär-kommunistischer Staat mit kontrolliert markwirtschaftlich-kapitalistischer Wirtschaftsordnung, der hinsichtlich Kontrolle, Überwachung und Manipulation seiner Staatsbürger von keinerlei rechtstaatlichen Instanzen reglementiert wird. Dies hat China inzwischen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil beschert.
Das marktwirtschaftlich-kapitalistische Wirtschaftsystem ist an einem Punkt angekommen, an dem auch die reine Geldschöpfung aus Geld, also das virtuelle und von der Realwirtschaft entkoppelte System, an seine Grenze gelangt ist. Denn einerseits droht die Blase der angehäuften Finanzmassen und das Finanzsystem der Banken, quasi die Lungen des marktwirtschaftlich-kapitalistischen System, ohne die auch in der Realwirtschaft nichts geht, zu platzen und die ganze Wirtschaft mit in den inflationären Abgrund zu reißen, und andererseits können die Staaten aufgrund relativ sinkender Staateinnahmen durch die chronisch kränkelnde Realwirtschaft sich nur noch auf Pump über Wasser halten. Die Finanzkrise, die in Griechenland und anderen europäischen Staaten um das Jahr 2015 herum zu beobachten war, hat es deutlich gemacht.

Die Sinologisierung des Systems

In der Vergangenheit haben die Eliten aus Politik und Wirtschaft zur Rettung ihres Systems zum Mittel der Zerstörung gegriffen: zum Krieg. Die Zerstörung hat den Neuanfang und Wiederaufbau ermöglicht, die Eliten sind die gleichen geblieben. Nach 1945 lag Europa in Schutt und Asche, Krupp, Thyssen und andere Magnaten waren indes noch da und sie waren so mächtig wie zuvor. Heute sind nicht mehr in erster Linie die Kohle- und Stahlmagnaten an den Schalthebeln der Macht, sondern die Eliten des sogenannten digital-finanziellen Komplexes, die Chefs von Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft und die großen Kapitalverwaltungsgesellschaften. Durch die von der WHO ausgerufenen Corona-Pandemie und die sie begleitenden Maßnahmen sind sie noch reicher und mächtiger geworden, während weite Teile des traditionellen Mittelstandes in den Ruin getrieben wurden. Corona war und ist gewissermaßen ein Krieg mit anderen Mitteln. Die Zerstörung erfolgt nicht mit Bomben sondern mit Lockdowns und Einschränkung der persönlichen Freiheiten der Menschen.
Insbesondere hinsichtlich Überwachung, Erfassung, Steuerung und Sanktionierung der Bevölkerung, hat China, das mittelweile längst Teil des marktwirtschaftlich-kapitalistischen Weltsystems geworden ist, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Es hat auf keinerlei rechtsstaatliche Normen Rücksicht zu nehmen, kann die eigene Bevölkerung lückenlos überwachen, im Zweifelsfall ganze Städte vollkommen isolieren, die Bevölkerung mit einem Sozialkreditsystem sanktionieren, den freien Austausch von Meinungen und Informationen rigoros unterbinden und Störenfriede gnadenlos wegsperren oder mit anderen Mitteln aus dem Weg räumen. China exerziert dem parlamentarisch verfassten Westen vor, wie man das eigene Machsystem durch die Krise rettet. In der Corona-Krise sind die bürgerlichen Staaten des Westens China ähnlicher geworden. Was wir derzeit erleben ist eine Sinologisierung das System. Das Mittel der Wahl zu dessen Durchsetzung ist die Verbreitung von Angst. Wir erleben mit Staunen und Entsetzen, wie vormals scheinbar kritische Menschen plötzlich bedenkenlos in ihre eigene Entmündigung einwilligen. Wir erleben, wie plötzlich die gesamte parlamentarische und außerparlamentarische Linke ihre angebliche Herrschaftskritik auf dem Altar der vermeintlichen Pandemiebekämpfung opfert. Marx und seine Epigonen, Lenin, Stalin und Mao, träumten von einer kommunistischen Erziehungsdiktatur. Zwar ist das System des kommunistischen Ostens vor rund dreißig Jahren zusammengebrochen, aber über den asiatischen Umweg China scheinen sie jetzt doch noch zu gewinnen. Chinas staats-kapitalistischer Weg ist die Medizin, mit der der Eliten auch im Westen ihre Macht zu retten glauben, auch wenn der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, an seiner eigenen Logik zerbricht. So allerdings hat sich Marx das wahrscheinlich doch nicht vorgestellt.