Wie der Mensch auf den Hund kam

Fakt ist: Der Hund stammt direkt vom Wolf ab. Frühere Spekulationen, wie etwa noch von Konrad Lorenz, der auf bestimmte Schakalarten als Vorfahren tippte, sind inzwischen durch Genanalysen widerlegt worden. Auch wurde vor noch nicht allzu langer Zeit vermutet, dass der Urhund irgendwann in Mesopotamien durch eine zunächst langsam verlaufenden Domestizierung aus dem Wolf hervor gegangen ist, und sich von dort aus über die ganze Welt verbreitete. Inzwischen gilt es jedoch als bewiesen, dass unabhängig voneinander erste noch wolfsähnliche Hundeschläge aus verschiedenen Wolfstypen in Zentralasien, Nordafrika und dem vorderen Orient entstanden (Bloch 2011). Lange Zeit wurde außerdem die Theorie vertreten, Steinzeitmenschen hätten zunächst verwaiste Wolfswelpen in ihre Obhut genommen, aufgezogen und so an den menschlichen Kontakt gewöhnt.
Chihuahua
Ach in ihm steckt ein Wolf
Durch Weiterzüchtung sei so der Hund entstanden. Heute geht man eher von der Annahme aus, dass die Wölfe selbst sich den Menschen immer weiter annäherten, um sich an ihren Nahrungsabfällen schadlos zu halten. Dies müssten Wölfe mit einer geringeren „Fluchtdistanz gewesen sein, die sich nicht so leicht stören ließen und nicht beim kleinsten Verdacht einer Störung das Weite suchten“, wie der Wissenschaftsjournalist Alwin Schöneberger formuliert (Schöneberger, 76). Wahrscheinlich haben die noch nomadisierenden Menschen irgendwann mitbekommen, dass sie an dem Verhalten der von den menschlichen Abfällen lebenden Caniden, das lateinische Wort für „hundeartige“, damals noch eine sich langsam zum Hund entwickelnden Wolfsart, erkennen konnten, ob irgendwo Gefahren lauerten. Diese Wölfe umlagerten die menschlichen Lagerstätten und machten es den anderen Beutegreifern schwerer, sich ihnen zu nähern. Das nutzten die Menschen aus ¬– Mensch und Wolf kamen in Kontakt. Schließlich erkannte man auch die Nützlichkeit der mittlerweile schon zum Hund gewordenen Wölfe für die Jagd.

Dreamteam Mensch und Hund

Etliche Forscher meinen, dass die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft ohne den Hund nicht in der uns bekannten Form – oder zumindest nicht so schnell – möglich gewesen wäre. Sicher hat unser vierbeiniger Freund viel zur Sesshaftwerdung des Menschen vor etwa 10.000 Jahren beigetragen, die ja entscheidend mit der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht verknüpft ist. Als die Menschen begannen, nicht mehr nur zu jagen, sondern sich Vieh zu halten und es zu züchten, mussten sie die Erfahrung machen, dass auch andere Fleischfresser Appetit darauf bekamen. Der Einsatz von Hunden zur Bewachung und zur Gefahrenabwehr dürfte die Errichtung von dauerhaften Ansiedlungen sehr erleichtert haben.
Noch bis vor Kurzem nahm man an, das es etwa 14-16.000 Jahre zurückliege, seit aus dem Wolf durch den Kontakt zu Menschen der Hund entstand. „Canis Lupus familiares“ lautet seine wissenschaftliche Bezeichnung. Manchmal ist auch von einer Unterart des Wolfes die Rede, in der Fachsprache „Canis Lupus forma familiaris“ genannt. Durch Fortschritte in der Genanalyse muss heute davon ausgegangen werden, dass sich die Entwicklung von Wolf und Hund bereits sehr viel früher als bisher angenommen trennte, und zwar vor mehr als 100.000 Jahren.
Auf welche Art und Weise Mensch und Hund in ihrer Entwicklung gegenseitig Einfluss aufeinander ausgeübt haben, ist eine Frage, die zunehmend an wissenschaftlicher Bedeutung gewinnt. Und sie ist weit davon entfernt, abschließend beantwortet werden zu können, obwohl man sich bereits vor 200 Jahren damit auseinandersetzte. So stellte der Französische Naturforscher Georges Cuvier bereits im 18. Jahrhundert die Frage, ob der Hund nicht vielleicht sogar notwenig „zum Bestande der Gesellschaft des Menschenvereins sei (Oeser 2004,37)“.
Heute geht der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Erhard Oeser soweit, zu behaupten, der Mensch habe seine hochentwickelte Intelligenz überhaupt erst durch Anpassungsleistungen an den Hund beziehungsweise dessen Vorfahren entwickelt und wäre ohne ihn niemals in der Lage gewesen, gesellschaftliche Beziehungen zu entwickeln. Jene Primaten, die als unsere unmittelbaren Vorfahren gelten können, seien zwar hochintelligent gewesen, ihre Fähigkeit jedoch, Beziehungen, Sympathien und Solidarität zu entwickeln, kaum über die ganz engen Familienbande hinausgegangen. Oesers gründet seine Position insbesondere auf Beobachtungen an Menschenaffen.
Die ersten Menschen waren demnach hinterhältige und nur auf den Eigennutz bedachte Egomanen, sich eifersüchtig belauernde und latent boshafte Affen eben. Die „Kooperation von Mensch und Hund war auch und in erster Linie eine Anpassungsleistung der Hominiden an die überragende soziale Intelligenz der Caniden“, schreibt Oeser. „Nie hätte der Mensch, wenn er bloß mit der opportunistischen sozialen Intelligenz der Primaten genetisch ausgestattet worden wäre, zu solchen komplexen und umgreifenden sozialen Strukturen kommen können, wie sie sich heute in den verschachtelten sozialen Strukturen von Familie, Stamm, Staat und Nation darstellen, wenn er nicht von den Hunden oder ihren Vorfahren soziales Verhalten gelernt, bzw. sich in einer Koevolution an diese Verhaltensweise angepasst hätte, die weit über die engen Familienbande hinausgeht (Oeser 2004, 38).“ Wenn auch diese These in der Fachwelt auf recht einsamen Posten steht, so gestehen die meisten Wissenschaftler doch zu, dass sich Mensch und Hund in ihrer Entwicklung wechselseitig stark beeinflusst haben. Es gibt wohl kaum eine menschliche Gemeinschaft, die jemals ohne Hunde gelebt hat. Hunde gehörten von Anfang an dazu.
Literatur
– Bloch, Günther (2011): Der Haushund (Canis lupus f. familiaris) im Fadenkreuz der Meinungsmacher. http://www.hundefarm-eifel.de/f_hundepolitik_status_haushund_201103.html
Schöneberger, Alwin (2007): Die einzigartige Intelligenz der Hunde. Piper Verlag. München
Oeser, Erhard (2004): Hund und Mensch. Die Geschichte einer Beziehung. Primus Verlag. Darmstadt

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