Abschiedsstimmung im Bordelais – der Säuerling geht, die Alkoholbombe kommt

Der Bordeaux-Jahrgang 2010 sei ein Mentekel, schrieb der lang gediente Weinjournalist Mario Scheuermann jüngst in seinem Blog Planet Bordeaux. Nie zuvor habe er einen Jungwein von dieser Qualität gekostet. „In den 35 Jahren, in denen ich bewusst mich mit den Weinen des Bordelais beschäftige, hat sich das Klima und damit auch der Weintypus dramatisch geändert: vom herben, dünnen Säuerling zur konzentrierten süssen Alkoholbombe. Dies geschah nicht weil die Winzer oder Robert Parker das unbedingt so wollten, sondern weil die Natur es möglich gemacht, teilweise sogar erzwungen hat.“
Der Klimawandel bereitet den Bordeaux-Winzern an der Gironde mithin großes Kopfzerbrechen. Ihre Weine werden geliebt ob des herben Genusses, der kräftigen Säure und der oft wuchtigen Tannine, hinter denen sich subtil die nach Cassis duftenden Fruchtnoten der Edeltrauben Cabernet Sauvignon und Merlot entfalten. Mehr Sonne sowie die Klimaerwärmung haben in den letzten Jahren beständig Alkoholgehalt und Fruchtlastigkeit der Bordeaux-Tröpfchen steigen lassen. „Wenn wir nichts unternehmen werden wir nur noch Coca-Cola Weine produzieren“, soll der Saint-Emilion-Winzer Philippe Bardet laut Scheuermann kürzlich entsetzt ausgerufen haben. Bordeaux-Lieberhaber Scheuermann befürchet: „Das Jahr 2010 wird möglicherweise in die Weingeschichte eingehen als das Jahr in dem wir uns von unserer Vorstellung von Bordeaux-Weinen so wie wir sie bisher gekannt haben und schätzen, verabschieden mussten“
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Bordeaux-Wein: Vom Säuerling zur alkohollastigen Fruchtbombe?
Die französischen Winzer suchen allerdings händeringend nach Lösungen für ihr Problem. Soll man den Most nach der Weinlese mittels technischer Verfahren entzuckern? Oder gar die Rebsorten wechseln. Diskutiert wird, die klassischen Bordeaux-Trauben Merlot und Cabernet Sauvignen durch Cabernet Franc, Malbec und Petit Verdot zu ersetzen oder zumindest zu ergänzen. Auch über die Mourvèdre-Traube werde bereits nachgedacht, schreibt Scheuermann und seufzt: „Das wäre dann das Ende einer Epoche.“ Für einen alt gedienten Bordeaux-Recken wie ihn muss das wahrlich eine schreckliche Vorstellung sein.

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